Medical Tribune
12. Dez. 2012Patienten mit therapieresistenter Hypertonie

Resistente Hypertonie: Wann ist renale Denervierung sinnvoll?

Die Laienpresse überschlug sich quasi vor Begeisterung. Hochdruck ist jetzt heilbar – so lautete jüngst eine Schlagzeile zum Thema renale Denervierung. Experten warnen dagegen vor unkritischem Einsatz.

Was ist derzeit das Beste für Patienten mit therapieresistenter Hypertonie? Viele angebliche Kandidaten für eine renale Denervierung sind in Wirklichkeit gar keine. Oft lässt sich die Hypertonie doch medikamentös einstellen, betonte Professor Dr. Frank Ruschitzka vom Universitätsspital Zürich auf dem ESC*-Kongress.

Magnetresonanzangiographie von einem Gehrin
iStock/mr.suphachai praserdumrongchai

Dreierkombi muss Diuretikum enthalten

An einem Fallbeispiel zeigte er, welche Möglichkeiten man hat. Ein Banker aus Zürich, heute 58 Jahre alt, hatte beim hausärztlichen Check vor vier Jahren einen Blutdruck von 168/96 mmHg aufgewiesen und war auf Metoprolol 100 mg eingestellt worden. Drei Jahre später gab der niedergelassene Kollege wegen Werten um 180/100 mmHg Amlodipin (15 mg auf zwei Dosen verteilt) dazu, und wenige Wochen später wegen unbefriedigenden Erfolges noch Ramipril 10 mg. Schliesslich erfolgte die Überweisung an die Klinik wegen therapierefraktärer Hypertonie (jetzt 168/94 mmHg). Der Fehler: Laut Leitlinien besteht erst dann eine resistente Hypertonie, wenn unter einer Dreierkombination mit Einschluss eines Diuretikums der Druck über 140/90 mmHg liegt.

Prof. Ruschitzka: "Ein grosser Teil der vermeintlich resistenten Hypertoniker wird von mir medikamentös umgestellt und muss nie zur renalen Denervierung." Auch eine Studie an 141 Patienten mit resistenter Hypertonie entlarvte in jedem zweiten Fall eine suboptimale medikamentöse Therapie als Ursache. Den "Banker" schaute sich Prof. Ruschitzka also noch einmal genau an: Mit 174 cm und 92 kg war der Mann "zu klein für sein Gewicht".

Die genauere Diagnostik (s. Grafik) ergab keinen Anhalt für eine sekundäre Hypertonie. Wegen seines hohen kardiovaskulären Risikos riet man dem Patienten zu regelmässigem Training, mediterraner Kost, reduziertem Salzkonsum und verordnete ein Statin. Dieser Patient blieb allerdings auch nach Umstellung auf ein Dreierregime mit Diuretika-Komponente hypertensiv.

Vor invasiver Therapie Spironolacton

Also jetzt zur Invasivtherapie? Nein, an diesem Punkt kann man einen Aldosteronantagonisten wie Spironolacton dazugeben, so der Experte. Haben Sie nach einer Nierenarterienstenose geschaut, wollte ein Kollege aus dem Auditorium wissen. Eine derartige Diagnostik sei problematisch, weil die therapeutischen Konsequenzen unklar seien, lautete die Antwort verbunden mit der Gegenfrage: "Bei einem Patienten mit langjähriger Hochdruckanamnese, würden Sie da eine Nierenarterienstenose beseitigen und einen Effekt erwarten?"

Auch den Sinn einer breiten Diagnostik auf primären Hyperaldosteronismus stellte Prof. Ruschitzka infrage. Wenn Patienten an einem M. Conn leiden, habe man mit Spironolacton den Blutdruck im Griff und dem Kranken zudem invasive Therapie erspart. Es bestehe höchstens die Gefahr, dass ein Malignom übersehen wird, aber das passiere erfahrungsgemäss nur sehr selten.

Strenge Indikationsstellung vor invasiver Denervierung!

Möglicherweise werden wir in Zukunft auch Patienten mit weniger schwerer Hypertonie durch renale Denervierung behandeln, kommentierte Professor Dr. Johannes Mann vom Städtischen Klinikum München. Schliesslich zahlen in Deutschland die Krankenkassen für den Eingriff: "Die Hochdruck-Experten stehen stark unter Druck, Patienten zur Denervierung zu schicken. Denn es wird zu Unrecht postuliert, dies nicht zu tun, sei unethisch."

Prof. Ruschitzka lehnt den Vorwurf unethischen Handelns durch strenge Indikationsstellung ebenfalls ab: "Ich bin fasziniert von der renalen Denervierung. Aber es gibt keine Vergleichsstudien zwischen Dreifach- oder Vierfach-Therapie und renaler Denervierung, die einen Benefit für das invasive Verfahren belegen." Wie bei allen vielversprechenden Therapieverfahren besteht die Gefahr, die Methode zu ruinieren, indem man sie bei den falschen Patienten anwendet – also Hypertonikern, bei denen die Therapie nicht ausgeschöpft, ein Conn nicht in Betracht gezogen, Spironolacton nicht getestet und eine Nierenarterienstenose nicht abgeklärt sind. "Aber von diesen abgesehen, haben wir ja Tausende von Patienten mit klarer Indikation, fangen wir doch mit denen an", appellierte der Experte.

*European Society of Cardiology

 ESC-Kongressbericht