Medical Tribune
18. Nov. 2012Sportverletzungen

Typische Schäden bei jungen Kletterern

Klettern ist leicht erlernbar und sicherer als Fussball oder Skifahren. Ausserdem sind rasch Fortschritte zu erzielen. All diese Faktoren machen die Sportart immer attraktiver für Kinder und Jugendliche, schreiben Dr. Thomas Hochholzer von der Privatklinik Hochrum in Innsbruck und sein Kollege in "Flugmedizin, Tropenmedizin, Reisemedizin".

Drei Kletterer geben nach Aufstiegserfolg einen high five
iStock/Anchiy

Mit der Zahl der jungen Kraxler steigt aber auch die Rate an Beschwerden – viele sind auf Überlastung zurückzuführen. Ein gezieltes Training ist daher unerlässlich. Angeborene oder altersbedingte Hypermobilitäten in Kombination mit koordinativen Störungen führen z.B. nicht selten zu vermehrtem Stress für Finger, Hand und Ellbogen.  

Deutlich überbewegliche Fingergrundgelenke begünstigen bei hoher Trainingslast Sehnenscheidenentzündungen und direkte Gelenkschmerzen. Für Eltern und Trainer von Kindern mit derartigen Hypermobilitäten sind folgende Hinweise wichtig: Die Gelenke sollen unter Kraftbelastung keine endgradigen Endstellungen einnehmen. Es gilt das Motto, stabilisierend zu arbeiten. Dehnübungen sind nicht von Bedeutung und muskuläre Dysbalancen liegen eher selten vor.

Schmerz ohne Unfall: Stressfraktur suchen!

Immer häufiger finden sich geschwollene und schmerzende Finger bei 13- bis 18-jährigen Kletterern, ohne dass sich die Jugendlichen an eine Verletzung erinnern können. Die Ursache sind in der Regel Epiphysiolysen der Mittelgelenke.

Gerade bei Jungen scheint die Wachstumsfuge dann am empfindlichsten zu sein, wenn sie sich zu verschliessen beginnt. Zum einen schwächt die vermehrte Testosteronausschüttung die mechanische Festigkeit der Epiphysenfuge. Zum anderen verschiebt sich der Gewicht-Kraft-Faktor: Die Jugendlichen versuchen, ihr steigendes Körpergewicht durch mehr Maximalkrafttraining auszugleichen. Ausserdem nutzen sie Zusatzgewichte und führen Halteübungen mit aufgestellten Fingern durch.

Campusboard schuld an Emüdungsfraktur?!

Akute Epiphysenlösung: 3 Monate Kletterverbot Alle jugendlichen Leistungskletterer mit Ermüdungsfrakturen berichteten über ein Training am "Campusboard", einer überhängenden Holzwand mit kleinen angeschraubten Leisten. Und umgekehrt: Zwei Drittel aller Jugendlichen, die an dieser Wand trainierten, erlitten eine Ermüdungsfraktur. Dieses Board ist daher für Kinder und Jugendliche tabu, betont Dr. Hochholzer.

Als einzig mögliche Therapieoption nennt der Experte: Absolutes Kletterverbot für drei bis vier Monate, um betroffene Gelenke konsequent zu entlasten. Nur selten und bei starken Schmerzen ist eine Schienung für zwei bis drei Wochen erforderlich. Wird die Abstinenz befolgt, heilen alle beginnenden Epiphysiolysen folgenlos aus. Andernfalls – oder bei später Diagnose – drohen weitere Einbrüche, die zu Fehlstellungen oder Inkongruenzen mit konsekutiver vorzeitiger Arthrose führen können.  

Klettern: Gut gegen Skoliose, ungünstig bei Kyphose

Einige Kletterer klagen auch über klinisch schwer einzuordnende Schmerzen in Hand oder Handgelenk. MRT-Untersuchungen ergaben in derartigen Fällen Knochenödeme distal an Radius oder Ulna bzw. den Handwurzelknochen. Ursache ist eine zu hohe Trainingsintensität. Auch hier hilft nur konsequente Entlastung über Wochen bis Monate.

Differenzialdiagnostisch müssen entzündliche Prozesse, okkulte oder Stressfrakturen sowie selten Tumoren (z.B. Osteoidosteom) ausgeschlossen werden. Beschwerden an der Wirbelsäule sollten besondere Beachtung finden. Skoliosen sind keine Kontraindikation für das Klettern, die muskuläre Stabilisierung wirkt sich vielmehr positiv aus. Anders bei Kyphosen: Die muskelverkürzende Belastung durch den Sport fördert die Bildung eines Rundrückens.

Neben einer engmaschigen sportmedizinschen Kontrolle empfiehlt Dr. Hochholzer zum Ausgleich:

  • spezielle, intensive Dehnübungen, vor allem für den M. pectoralis
  • physiotherapeutische Mobilisation der Brustwirbelsäule
  • Schwimmen
  • Haltungsgymnastik

Kletterrucksäcke sollten – wie Schulranzen – nicht mehr als 10 % des Körpergewichts wiegen. Als Anhaltspunkt gilt: maximal 3 kg für 6- bis 9-Jährige und maximal 5 kg für 10- bis 12-Jährige. Um Überlastungsschäden, Haltungsfehler oder ernsthafte gesundheitliche Probleme zu vermeiden, rät Dr. Hochholzer dazu, junge Kletterer – wie andere sporttreibende Kinder auch – einmal jährlich zu untersuchen und sportmedizinisch zu betreuen.

Quelle: Thomas Hochholzer et al., FRT 2012; 19: 121-124